Baumeister Conrad Wilhelm Hase (1818 - 1902)

Conrad Wilhelm Hase - 1845 (Stadtarchiv Hannover, hbs)

 

Nachdem die Gemeinde immer wieder gezögert hatte, griff 1865 das Konsistorium ein und bestimmte: nach Ablauf der Verwesungszeit des Friedhofs bei der Kirche, also 1867, wird der Neubau der Kirche in Angriff genommen.  

So schreibt Pastor Gerlach1 1933 in einem Aufsatz im Rückblick auf die damalige Situation und fährt dann fort: 

Als der Bau endgültig beschlossen war, galt es den rechten Baumeister zu finden! ... Gut, dass es Pastor Raabe2 gelang, den damals auf der Höhe seines Schaffens und im Anfange seines Ruhmes stehenden Professor an der Technischen Hochschule Conrad Wilhelm Hase als Baumeister zu gewinnen. Die Baukunst erlebte damals eine Übergangszeit. Man wandte sich an Stelle des romanischen mehr dem gotischen Stile zu. Und in diesem war Hase anerkannter Meister. Hatte er doch eben erst den herrlichen, wahrhaft königlichen Bau der Marienburg bei Nordstemmen, sowie in Hannover den Prachtbau der Christuskirche... vollendet.

C. W. Hase, Fotografie 1898 (Stadtarchiv Hannover, hbs)

Ich habe ihn noch gekannt, bin öfter bei ihm... gewesen, und auch er hat mich hier besucht. Er war ein schlanker, hochgewachsener Mann, dem man seine Bedeutung als Künstler und Gelehrter ohne weiteres ansah. Besonders fiel sein großes, lebhaftes, durchdringendes Auge auf. ... In den 70er und 80er Jahren war er in Hannover eine volkstümliche Persönlichkeit, besonders unter den Studenten. Man erzählte sich, an seinem Hause stände:

Ein jeder baut nach seiner Nase; ich heiße Conrad Wilhelm Hase. ...  

Unsere Kirche gilt, rein stilistisch angesehen, als eine der schönsten Bauten Hases, sie hat auch zu seinen Lieblingsbauten gehört. Als er... aufgefordert wurde, Bilder seiner schönsten Bauten auf der Weltausstellung in Paris auszustellen, hat er auch das unserer Kirche ausgestellt, und zwar mit dem geplanten neuen Turm. Dieses Blatt hat er mir bei meinem letzten Besuch in seinem Hause geschenkt, es schmückt unter Glas und Rahmen den Vorplatz des Pfarrhauses bei der Kirche.

Nicht lange vor seinem Tode kam er mit seinem ersten Beamten noch einmal nach hier, ich musste sie in die Kirche führen; und da stand er lange auf dem Chor und ließ sein großes, helles Künstlerauge zum letzten Male sinnend durch die hohen Räume seiner Schöpfung schweifen, aber auch auf mancher Einzelheit mit Wohlgefallen ruhen. Ich sehe im Geiste noch heute seine hochragende Gestalt; sein Begleiter aber sagte leise zu mir: „Er wollte Ihre Kirche noch einmal sehen.“

Nach seiner Pensionierung lebte Pastor Gerlach in Hannover. Nach einem Bombenangriff im Jahre 1944, bei dem er offenbar seine Wohnung verloren hatte, widmete er die Zeichnung seiner alten Gemeinde, wie der handschriftliche Text links unten auf dem Blatt erkennen lässt:

Hannover, 19.12.44 / Aus dem Angriff am 15.12. gerettet und der lieben Kirchengemeinde Langenhagen in treuem Gedenken zugeeignet!

Mit herzlichen Grüßen

E. Gerlach P. i. R. / Vom 30.4.1893 bis 31. Oktober 1933 Pastor in Langenhagen.

 

1 Georg Ludwig Ernst Gerlach, von 1893 bis 1933 Pastor in Langenhagen

2 Georg Friedrich August Raabe, von1854 bis 1892 Pastor in Langenhagen

 

Zeichnung - Kirche von Norden, Ansicht

Kirche von Norden, Ansicht

Zeichnung - Kirche von Norden, Schnitt

Kirche von Norden - Schnitt

Zeichnung - Kirche Querschnitt und Grundriss

Kirche, Querschnitt und Grundriss

Zeichnung - Elisabethkirche von Norden mit dem ursprünglich geplanten Turm

Elisabethkirche von Norden mit dem ursprünglich geplanten Turm

Zu Leben und Werk Conrad Wilhelm Hases

Am 2. Oktober 1818 wurde Conrad Wilhelm Hase als zehntes Kind des Steuereinnehmers Heinrich Adam Carl Hase und dessen Ehefrau Christina Eleonora geb. Zimmer in Einbeck geboren. Hier verlebte Hase seine Kindheit und absolvierte seine Schulausbildung, die er 1834 mit dem Abschluss des Progymnasiums beendete.

Von 1832 bis 1834 hatte er sonntags auch die Gewerbeschule in Einbeck besucht. Im Wintersemester 1834/1835 begann er mit dem Studium der Baukunst in Hannover. Nach Beendigung des Studiums im Frühjahr 1838 fand er zunächst keine Anstellung. Ein ehemaliger Lehrer riet dem noch unerfahrenen Architekten zu einer Maurerlehre, die Hase bei einem Maurermeister in Hannover absolvierte. Nach erfolgreicher Ablegung der Gesellenprüfung ging Hase im Frühjahr 1840 auf Wanderschaft, mit dem Ziel München.  

Ein Stipendium der Stadt Einbeck ermöglichte Hase im Wintersemester 1840/1841 die Aufnahme des Studiums an der Münchener Akademie. Im Frühjahr 1842 wanderte Hase zu Fuß zurück nach Hannover. Dort beschäftigte ihn sein ehemaliger Lehrmeister als Maurer und Bauführer am Neugotischen Mausoleum in Hemmingen, das als »Ziegelrohbau« ausgeführt wurde und als »Gründungsbau« der Hannoverschen Schule anzusehen ist. 

Im Februar 1843 konnte Hase endlich mit einer Tätigkeit im Staatsdienst als Bauführer der Königlich Hannoverschen Eisenbahndirektion beginnen. Hase baute unter anderem die Bahnhöfe in Celle, Lehrte und Wunstorf, musste sich aber wegen der Auswirkungen der 1848er Revolution, die erhebliche Einschränkungen im Eisenbahnbau mit sich brachte, erneut umorientieren, und zwar vom Eisenbahnbau zum Sakralbau: Im Juni 1848 erhielt er den Auftrag zur Restaurierung der Klosterkirche in Loccum.  

Der frühe Tod des »Zweiten Lehrers« der Baukunst am Polytechnikum in Hannover, Friedrich Osten (1816–1849), bot Hase die große Chance, ab 1. Dezember 1849 dessen Nachfolger zu werden. Zwei Jahre arbeitete Hase vertretungsweise als Architekturlehrer und wurde dann im Dezember 1851 offiziell benannt. In dieser erfolgreichen beruflichen Phase der 1850er Jahre konnte Hase nun auch daran denken, eine Familie zu gründen. Im September 1853 heiratete er die aus einer ungarischen Künstlerfamilie stammende Sängerin Agnes Maria Cornelia Leguinia Babnigg (1828–1865), mit der er drei Kinder bekam.  

Hase, der 1858 zum Baurat ernannt wurde, erhielt 1857 den Auftrag, die königliche »Marienburg« bei Nordstemmen »im mittelalterlichen Stil« zu entwerfen (Ausführung durch Hase 1858–1864). Ein weiteres königliches Projekt war 1858 die Christuskirche in Hannover, mit der Hase 1859–1864 – nach verschiedenen Dorfkirchen – erstmals einen neugotischen Monumentalbau im typischen roten Ziegelmauerwerk der Hannoverschen Schule ausführen konnte. Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau im Jahre 1865, schloss Hase 1867 eine zweite Ehe mit Ottilie Franziska Annette Amalie Berckelmann (1832–1920), die kinderlos blieb.

Von 1863 bis 1897 bekleidete Hase nebenberuflich das Amt des Konsistorialbaumeisters der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. In dieser Funktion übte er erheblichen Einfluss auf eine Vielzahl von Kirchenbauprojekten im Bereich der hannoverschen Landeskirche aus. Mit vielen eigenen Sakralbauten verbreitete er die Architektur der Hannoverschen Schule erfolgreich über ganz Norddeutschland.  

Große Anerkennung erwarb sich Hase 1878–1882 mit der Restaurierung des vom Abriss bedrohten mittelalterlichen Rathauses in Hannover, das er 1890/1891 durch einen stilistisch angepassten Neubau-Flügel in prachtvoller Backstein-Neugotik erweiterte. Als Hase 1898 seinen 80. Geburtstag feierte, konnte er auf ein erfolgreiches Architektenleben zurückblicken. Er wurde von einer Vielzahl von Schülern verehrt, die nicht nur sein fachliches Können, sondern auch sein freundliches und heiteres Wesen schätzten. Am 28. März 1902 starb Conrad Wilhelm Hase im Alter von 83 Jahren, nachdem er sich bis zuletzt geistiger und körperlicher Frische erfreuen durfte.

Text nach http://www.glass-portal.privat.t-online.de/cwhase/index.htm

Architekturportal, Conrad Wilhelm Hase (1818–1902) : Leben und Werk